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Drehgestell – Genial-Baukasten
aus Bulletin 55/2006, von Christoph Schörner
Ein Drehgestell mit radial einstellbaren Achsen
In der „Schweizer Eisenbahn-Revue“ (Heft 3/1992, S. 69ff.). bin ich auf einen Artikel zu diesem für uns nicht uninteressanten Thema gestoßen Insbesondere eine aus dem Hause SIG Neuhausen stammende Graphik löste bei mir bald den „Griff zum Schraubenzieher“ aus.
Dargestellt war hier ein zweiachsiges Drehgestell, bei dem die – ebenfalls drehbar gelagerten – Achsen durch zwei Lenkgestänge so miteinander verbunden sind, dass sie sich bei Kurvenfahrt jeweils in entgegengesetzter Richtung drehen, so dass sie jeweils eine (bezogen auf die Gleiskrümmung) radiale Stellung einnehmen. Die Umkehrung der Drehrichtung wird durch zwei kurze Hebel (im Modell die beiden 5- Loch-Bänder) bewirkt, welche drehbar am Drehgestellrahmen sowie mit einem weiteren Hebel gelenkig am Wagenkasten befestigt sind.
Sinn und Zweck des Ganzen ist natürlich vor allem eine Verringerung des Verschleisses zwischen Rad und Schiene bei Kurvenfahrt, aber auch eine Verbesserung des Fahrkomforts. Die SIG-Zeichnung stellt offenbar ein Konzept dar, welches die Beschleunigung von Hochgeschwindigkeitszügen auf konventionellen, also nicht ausgebauten Streckenabschnitten ermöglichen soll. Nicht zuletzt beweist also diese Geschichte, dass die gute alte Mechanik auch heute noch geeignet ist, der Lösung interessanter, aktueller Probleme zu dienen!
Mein Nachbau-Versuch sollte a) nach Möglichkeit auf ein Spur-1-Gleis passen oder b) auf andere Weise leicht auszuprobieren sein sowie c) bezüglich Aufwand an Mühe und Material in einem erträglichen Rahmen bleiben.
zu a): Aus diesem Grund fiel die Wahl auf Material mit 10-mm-Lochabstand (Scheffler/ Construction; die Räder stammen von Stokys). Leider wurde das Drehgestell dann doch zu breit, um es noch als Spur-1-tauglich einzustufen: die beiden Gestänge beanspruchen die Breite eines 11-Loch-Bandes; um die Räder für Spur 1 zu positionieren, hätte man ihren Abstand so weit verkleinern sowie den Abstand zwischen Achsen und Drehgestell so weit vergrößern müssen, dass die Fuhre, mit Holz beladen, vermutlich bereits im Stehen umgekippt wäre.
zu b): Nachdem ich die Spur-1-Eignung hatte aufgeben müssen, wollte ich doch wenigstens ein Modell haben, welches man mühelos würde in die Hand nehmen können, um den Lenkmechanismus auszuprobieren. Daher entschied ich mich für einen Drehschemelwagen, wie er früher paarweise für den Transport von Baumstämmen im Einsatz war, anstelle eines vierachsigen Reisezugwagens, wie es dem Vorbild entsprochen hätte. Damit nahm ich allerdings einen gewissen Verlust an Realitätsbezug in Kauf, denn vermutlich hat es nie einen Drehschemelwagen mit radial einstellbaren Radsätzen gegeben! Doch spricht m. E. nichts dagegen, für unsere Art von Modellbauerei eine gewisse „Narrenfreiheit“ zu propagieren. Daher sei es auch erlaubt, den genannten Mangel durch eine kleine Phantasiereise zu kompensieren: Man stelle sich eine der legendären, vorwiegend dem Holztransport dienenden Schmalspurstrecken in den Wald- oder sonstigen Karpaten vor, mit unglaublich engen Kurven, haarsträubendem Unterbau sowie unversehens mitten auf dem Gleis auftauchenden, wild und ausdauernd schnatternden Gänsen! Wie viel Verdruss mit abgefahrenen Spurkränzen, verschlissenen Schienen, Entgleisung und sonstigen Kalamitäten wäre den wackeren Waldeisenbahnern dort erspart geblieben, hätten sie „meinen“ Drehschemelwagen gehabt.
zu c) Was das Lenkgestänge betrifft, so lassen sich mit Sicherheit noch bessere Lösungen finden, auch wenn ich selbst schon mit dem Ausprobieren verschiedener Varianten einen gewissen Aufwand getrieben habe. Aber ich denke, es sollte doch für den einen oder anderen Leser, der jetzt vielleicht beschlossen hat, sich ebenfalls eingehender mit dem hier behandelten Thema zu befassen, auch noch etwas zu tun geben.
„Genial“ – Ein Metallbaukasten aus Österreich
Sein Name klingt nicht gerade bescheiden, was ihm aber offenbar nicht viel genützt hat: Selbst in Österreich ist er kaum aufzutreiben, so dass man wohl auf kleine „Auflage“ sowie eine kurze Produktionszeit (um 1950) schließen muss.
Hergestellt wurde dieser Baukasten von einer Firma namens „Genial-Spielwaren“ mit Sitz in Wien. Ob nun genial oder nicht – auf alle Fälle handelt es sich hier um ein interessantes System, mit dem nicht einfach nur das übliche, letztlich von Meccano her abgeleitete Schema kopiert, sondern auch die eine oder andere neue Idee realisiert wurde. Und die Tatsache, dass dieser Baukasten im „Henze“ nicht vorkommt, verleiht ihm obendrein den Reiz eines noch unerforschten „weißen Flecks auf der Landkarte“!