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Vier Kompassswagen

(Bulletin 23/1990)
von Jean Berrier, AMS
überetzt aus dem französischen von Tobias F. Haffter, AMS

Im Mittelalter hatten die Chinesen einen Wagen mit einer Figur erfunden, deren ausgestreckter Arm stets in die gleiche Richtung wies, wie auch immer die Bahn war, längs welcher der Wagen bewegt wurde. Daher ist von einem Kompasswagen die Rede oder, in der französischen Sprache, von einem „Chariot chinois“, d.h. von einem „chinesischen Wagen“. Die nachfolgend beschriebenen und dargestellten Modelle sind eine Meccano-lIlustration der chinesischen Erfindung.

Der Witz der Sache besteht darin, Vorkehrungen zu treffen, damit die Summe der Bewegungen, die von den Rädern auf die den Richtungszeiger tragenden Achse übertragen werden, stets gleich null ist. Dieses Erfordernis wird durch ein Differential-Getriebe erfüllt.
Ein Differential-Getriebe besteht aus drei Elementen, nämlich aus zwei Zentralrädern (französisch: planetaires) und einem Laufwerk von Zwischenrädern (französisch: satellites). Die Wagenräder drehen mit entgegengesetztem Drehsinn zwei dieser Elemente, während das dritte Element auf den Richtungszeiger einwirkt. Wenn sich der Wagen geradlinig fortbewegt, haben die von den beiden Wagenrädern übertragenen Bewegungen die gleiche Grösse und heben sich am Eingang des Differentials natürlich auf, so dass das Differential nicht arbeitet. Der Richtungszeiger bleibt deshalb in Ruhe, und der Winkel, den er mit der Wagenachse bildet, bleibt konstant.

Wenn der Wagen seine Fahrrichtung ändert, durchläuft das äussere Wagenrad einen längeren Weg als das innere Wagenrad. Die Differenz dieser beiden Bewegungsgrössen bringt das dritte Element des Differentials, mit welchem der Richtungszeiger gekuppelt ist, zum Drehen. Diese Drehbewegung vergrössert oder verkleinert je nach Änderung der Fahrtrichtung den Winkel, den der Richtungszeiger mit der Wagenachse einschliesst, und zwar derart, dass der Richtungszeiger unabhängig von den Auslenkungen des Wagens immer in die gleiche Richtung weist. Um dieses Resultat zu erreichen, muss der Abstand der beiden Wagenräder strikte gleich ihrem Durchmesser sein. Zudem muss auch jegliches Rutschen oder Gleiten der Wagenräder vermieden werden. Aus diesem Grund ist eines der nachfolgend vorgestellten Modelle mit verzahnten Wagenrädern versehen worden (siehe Photo des Modells Nr. 2).

Zum Verständnis der nachfolgenden Beschreibungen wird auch auf die Fig. 1 bis 3 sowie auf die Bauzeichnungen der vier Modelle (mittlere Spalte) verwiesen, die von Louis Fouqué stammen. Die Photos (Spalte rechts) stellen vom Autor nach diesen Zeichnungen gebaute Modelle dar, wobei kleinere Abweichungen vorgenommen wurden, beispielsweise bezüglich der Wahl der Wagenräder.

 

 

1. Funktionsweise der Wagen, Nr. 1 und 3

1.1. Angaben zur Aufgabe
1.1.1. Merkmale der Wagen
– Das rechte Wagenrad steht mit dem unteren Zentralrad in Eingriff.
– Das linke Wagenrad steht mit dem oberen Zentralrad in Eingriff.
– Die beiden Zentralräder werden gegensinnig angetrieben.
– Der Richtungszeiger ist mit der Achse des Laufwerks der Zwischenräder
verbunden.
1.1.2. Übersetzungsverhältnisse
Die Übersetzungsverhältnisse zwischen jedem Wagenrad und den Zentralrädern haben keinen Einfluss auf den Drehwinkel des Richtungszeigers, solange sie entgegengesetzt gleich sind (was zählt, ist die Differenz der Bewegungen).
1.1.3. Wenn das eine Zentral rad in einer bestimmten Drehrichtung um x1 Grad dreht und wenn das andere Zentralrad in der entgegengesetzten Drehrichtung um x2 Grad dreht, führt die Achse des Zwischenlaufwerks in der Ebene eine Drehung von Y2. (x1 – x2) Grad in der Drehrichtung der grösseren Bewegung aus (siehe Fig. 1).

1.2. Der Wagen rollt geradlinig
Auf einer Verschiebungsstrecke gegebener Längen durchlaufen die beiden Wagenräder je einen gleich langen Weg, und die beiden Zentralräder drehen in entgegengesetztem Sinn um gleiche Winkel.
Drehung der Achse des Zwischenlaufwerks: Y2′ (x – x) = 0
Die Achse bleibt unbeweglich, und die Zwischenräder drehen frei um sich selbst. Der Richtungszeiger bleibt deshalb ebenfalls unbeweglich und weist immer in dieselbe Richtung.

1.3. Der Wagen macht eine rechtwinklige Kurve (Fig. 2)
1.3.1. Der vom linken Rad durchlaufene Weg ist Y4 Kreisbogen mit Durchmesser 2D, d.h. Y4 ‚ 1l4D = 1lD
Man erinnert sich hier daran, dass D der Durchmesser eines Wagenrades ist. 1lD ist demnach die Umfangslänge dieses Rades. Wenn das Rad also einen Weg von der Länge 1lD zurücklegt, macht es eine Umdrehung; folglich macht die Radachse ebenfalls eine Umdrehung.
1.3.2. Der vom rechten Rad durchlaufene Weg ist Y4 Kreisbogen mit Durchmesser 20 , d.h. Y4 ‚1l2D = Y21lD, was einer halben Umdrehung des Rades oder seiner Achse entspricht.
1.3.3. Drehung der Zwischenlaufwerkachse und demnach des Richtungszeigers: Y2 ‚ (1 Umdrehung – % Umdrehung) = Y4 Umdrehung im Sinne der grösseren Bewegung. Der Richtungszeiger dreht demnach gegenüber der Wagenachse um eine Vierteldrehung nach links, d.h. er weist nach wie vor in dieselbe Richtung.
1.4. Der Wagen dreht um 90 Grad an Ort (Fig.3)
1.4.1. Der vom linken Rad durchlaufene Weg ist Y41lD
1.4.2. Der vom rechten Rad durchlaufene Weg ist – Y41lD
1.4.3. Die beiden Räder durchlaufen gleiche Wege, aber in umgekehrter Richtung. Die Zentralräder wollen deshalb im gleichen Sinn drehen und blockieren damit die Zwischenräder, also auch die zentrale Achse und damit den Richtungszeiger. In Wirklichkeit dreht der ganze Wagen um die unbewegliche, zentrale Achse. Der Richtungszeiger weist demnach immer noch in die gleiche Richtung.

Bemerkungen / Observations zum Komnpasswagen 1
Unerlässliche Regel: Die Raddistanz E muss exakt gleich dem äusseren Durchmesser D der Laufräder sein. Mit F ist die Drehachse des „Chinesen“ bezeichnet, die im übrigen einen einfachen Richtungszeiger (Kompassnadel) tragen kann.
Der Betrieb des Differentials ist mit einem einzigen Zwischenritzel G (Ausgleichritzel) weicher.
Regle imperative: L’empattement E des roues doit etre rigoureusement identique au diametre exterieur D des roues. F designe l’axe de rotation du „chinois“ sur lequel on peut fixer d’ailleurs une simple aiguille d’orientation. Le fonctionnement du differentiel est plus soupie avec un seul pignon satellite G.

Bemerkungen / Observations zum Komnpasswagen 3
Unerlässliche Regel: Die Raddistanz E muss exakt gleich dem äusseren Durchmesser D der Laufräder sein.
Mit F ist die Drehachse des „Chinesen“ bezeichnet, die im übrigen einen einfachen Richtungszeiger (Kompassnadel) tragen kann. Auf der Zeichnung sind nur zwei 3 Loch-Lagerbügel No. 48 dargestellt. In Wirklichkeit umfasst das Differentialgehäuse vier solche Lagerbügel.
Die Wellen A und B treffen sich in der Mitte des Stellrings C. Mit dem Ritzel H (25 Zähne) und dem Zahnrad I (50 Zähne) stimmt der Betrieb nur ungefähr. Er wird genauer, wenn man das Zahnrad mit 50 Zähnen durch ein Zahnrad mit 38 Zähnen ersetzt, dessen Welle mit Hilfe von zwei Ausgleichsstücken No. 55b im richtigen Abstand von der Welle A gehalten wird.
Regle imperative: L’empattement E des roues doit etre rigoureusement identique au diametre exterieur D des roues.
F designe l’axe de rotation du „chinois“ sur lequel on peut fixer d’ailleurs une simple aiguille d’orientation. Sur le dessin ne figurent que deux bandes coudees No. 48 a 3 trous. En realite, la cage du differentiel en comprend quatre.
Les axes A et B se recontrent au centre de la bague d’arret C. Avec les engrenages H de 25 dents et I de 50 dents le fonctionnement est approximatif. 11 est plus precis en remplagant la roue dentee de 50 dents par une roue dentee de 38 dents mise en place a l’aide de deux bandes-glissieres No. 55b.

2. Funktionsweise des Wagens Nr. 2

Das Prinzip bleibt gleich. Die einzigen Unterschiede sind die Uebersetzungsverhältnisse und die Vorgaben des Problems (das Gehäuse des Differentials ist durch die 4 Lagerbügel gebildet).
2.1. Vorgaben des Problems
– Das linke Wagenrad treibt das untere Zentralrad an (Verhältnis 1/1)
– Das rechte Wagenrad treibt das Gehäuse des Differentials an (Verhältnis 1/2)
– Das untere Zentralrad und das Gehäuse werden im gleichen Sinn angetrieben
– Der Richtungszeiger ist mit dem oberen Zentral rad verbunden (Achse A)
2.2. Der Wagen rollt geradlinig
Für eine Verschiebung gegebener Länge seien:
– x1 der Drehwinkel des unteren Zentralrads
– xG der Drehwinkel des Differentialgehäuses, wobei xG = Y2 x1
– x2 der unbekannte Drehwinkel des oberen Zentralrads (Achse A)
Wir haben bereits gesehen, dass die Achse A also unbeweglich bleibt und damit auch der Richtungszeiger. Das Minuszeichengibt an, dass dann, wenn x2 drehen würde, diese Drehung gegensinnig zu derjenigen von x1 (dem unteren Zentralrad) wäre.
2.3. Der Wagen macht eine rechtwinklige Kurve
Die Ueberlegungen sind die gleichen wie im vorgängigen Kapitel (Wagen 1 und 3), und die Fig. 2bleibt gültig.
– Vom linken Rad durchlaufener Weg: rrD, was 1 Umdrehung der Achse entspricht
– Vom rechten Rad durchlaufener Weg: rrD/2, was Y2 Umdrehung entspricht
– Drehwinkel des unteren Zentralrads: x1 = 1 Umdrehung‘ 25/25 = 1 Umdrehung
– Drehwinkel des Differentialgehäuses: xG = Y2 Umdrehung‘ 25/50 = Y4 Umdrehung
Wir wissen, dass: xG = Y2′ (x1 – x2) mit x1 = 1 Umdrehung und xG = Y4 Umdrehung
Damit haben wir: Y4 Umdrehung = Y2′ (1 Umdrehung – x2)
Y2 Umdrehung 1 Umdrehung – x2 und 1 Umdrehung – Y2 Umdrehung = Y2 Umdrehung
Die Achse A hat um + Y2 Umdrehung gedreht, also zweimal zu viel und im falschen Sinn. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit des zusätzlichen Getriebes H, I mit dem Verhältnis – 25/50 = – Y2, um den Drehwinkel des Richtungsanzeigers auf – Y4 zu bringen, d.h. auf eine Y4 – Umdrehung nach links.

Bemerkungen / Observations zum Komnpasswagen 2
Unerlässliche Regel: Die Raddistanz E muss exakt gleich dem äusseren Durchmesser D der Laufräder sein. Mit F ist die Drehachse des „Chinesen“ bezeichnet, die im übrigen einen einfachen Richtungszeiger (Kompassnadel) tragen kann.
Auf der Zeichnung sind nur zwei 3 Loch-Lagerbügel No. 48 dargestellt. In Wirklichkeit umfasst das Differentialgehäuse vier solche Lagerbügel.
Die Wellen A und B treffen sich in der Mitte des Stellrings C.
Mit dem Ritzel H (25 Zähne) und dem Zahnrad I (50 Zähne) stimmt der Betrieb nur ungefähr. Er wird genauer, wenn man das Zahnrad mit 50 Zähnen durch ein Zahnrad mit 38 Zähnen ersetzt, dessen Welle mit Hilfe von zwei Ausgleichsstücken No. 55b im richtigen Abstand von der Welle A gehalten wird.
Regle imperative: L’empattement E des roues doit etre rigoureusement identique au diametre exterieur D des roues. F designe l’axe de rotation du „chinois“ sur lequel on peut fixer d’ailleurs une simple aiguille d’orientation.
Sur le dessin ne figurent que deux bandes coudees No. 48 a 3 trous. En realite, la cage du differentiel en comprend quatre.
Les axes A et B se recontrent au centre de la bague d’arret C. Avec les engrenages H de 25 dents et I de 50 dents le fonctionnement est approximatif. 11 est plus precis en remplagant la roue dentee de 50 dents par une roue dentee de 38 dents mise en place a l’aide de deux bandes-glissieres No. 55b.

3. Funktionsweise des Wagens Nr. 4

Um diese Funktionsweise zu verstehen, muss man in Betracht ziehen, dass die beiden senkrechten Ritzel mit 19 Zähnen die Rolle des unteren bzw. des oberen Zentralrads spielen. Das Differentialgehäuse ist auf einen einzigen Lagerbügel reduziert, und das Kronrad mit 25 Zähnen vertritt die Stelle des Zwischenlaufwerks.
Wenn man diese Besonderheiten eingesehen hat, erkennt man, dass die Funktionsweise identisch derjenigen des vorgängig beschriebenen Wagens Nr. 2 ist.
Man kann abschliessend feststellen, dass die am besten funktionierenden Kompasswagen die am einfachsten konstruierten Wagen sind … was ja zu vermuten war .,. nämlich die Wagen Nr. 1 und 3. Im Modell Nr. 3 bewirken insbesondere die Ritzel mit 38 Zähnen einen widerstandsarmen und genauen Gang.
Dagegen stellt in den Modellen Nr. 2 und 4 der Antrieb des Differentials durch das Gehäuse kein besonders glückliches Vorgehen dar. Eine nicht nur approximative Funktionsweise macht am Ende der kinetischen Folge eine unbestimmte Korrektur de Uebersetzungsverhältnisses nötig (25/38 = 0,65 statt 25/50 = 0,50). Es ist zu beachten, dass 0,15 „“ 30 %, was eine nicht vernachlässigbare Abweichung ist.

Bemerkungen / Observations zum Komnpasswagen 4
Unerlässliche Regel: Die Raddistanz E muss exakt gleich dem äusseren Durchmesser D der Laufräder sein.
Mit F ist die Drehachse des „Chinesen“ bezeichnet, die im übrigen einen einfachen Richtungszeiger (Kompassnadel) tragen kann. Mit K sind zwei dünne Unterlagscheiben bezeichnet.
Die Welle A von 25 mm und die Welle B von 75 mm treffen in der Mitte des Ritzels C (19 Zähne, 19 mm) aufeinander. Die Welle B geht durch die Kupplung L hindurch.
Regle imperative: L’empattement E des raues doit etre rigoureusement identique au diametre exterieur D des roues.
F designe l’axe de rotation du „chinois“ sur lequel on peut fixer d’ailleurs une simple aiguille d’orientation. K designe deux rondelles fines.
L’axe A de 25 mm et l’axe B de 75 mm se rencontrent au milieu du pignon C (19 dents, 19 mm). L’axe B traverse l’accouplement L.

Stückliste Kompasswagen No. 1
AnzahlNr.AnzahlNr.
151237a
1144138
115b548a
1161059
216a263
216b163c
118a274
219b5111a
224a8111d
3262137
126a1140y oder 59
227a2142b
4281147b
2437a
Stückliste Kompasswagen No. 2
AnzahlNr.AnzahlNr.
21b10Unterlagsscheiben 7mm
231438
116145
316a246
217448
219b859
124263
125163c
426163d
127174
1282111
3294111a
2237a1115
1637b2142b
Stückliste Kompasswagen No. 3
AnzahlNr.AnzahlNr.
21b10Unterlagsscheiben 7mm
231438
116145
316a246
217448
219b859
124263
125163c
426163d
127174
1282111
3294111a
2237a1115
1637b2142b
Stückliste Kompasswagen No. 4
AnzahlNr.AnzahlNr.
222037a
861737b
112b2338
1162Unterlagsscheiben dünn
116a245
116b548b
217359
118b163
219b163c
225182
1261111c
126b2142b
1281147b
2291173
131